Morgenstund´ hat Gold im Mund, sagt der Volksmund. Damit hat er besonders an heißen Sommertagen recht. Da verlegen wir Menschen Aktivitäten gern in die frühen Morgenstunden oder in die späten Abendstunden. Anders das Rehwild, für das ab Mitte Juli die Brunft (Paarungszeit) beginnt. Ricke und Bock queren dann auch zur Mittagszeit im Rausch der Hormone wie kopflos die Straße. Die Verkehrsteilnehmer sollten daher auf liebesblinde Rehe gefasst sein und tagsüber sehr vorausschauend fahren!

 

"Keimruhe" - ein Clou der Natur

Einen genialen Clou hat sich die Natur für die Fruchtbarkeit der Rehe einfallen lassen: Zwar bringt es seinen Nachwuchs wie die meisten Wildtiere im Frühjahr zur Welt. Doch Rehwild ist bereits von Mitte Juli bis Mitte August in der Brunft. Die Tragzeit dieser Ricken (weibliche Rehe) beträgt damit stolze neun Monate, was im Tierreich eine ungewöhnlich lange Zeitspanne ist. Die Tragzeit im Sommer beinhaltet allerdings eine etwa viermonatige “Keimruhe”, in der sich die befruchtete Eizelle zunächst kaum weiterentwickelt. Erst im Winterhalbjahr sorgt dann die Ausschüttung von Wachstumshormonen für die weitere Entwicklung des Kitzes.

Diese Besonderheit hat einen guten Grund für die Population: Denn falls eine Rehwilddame in der sommerlichen Hauptbrunft nicht tragend geworden sein sollte, bekommt sie mit einer weiteren Paarungszeit im Winter eine zweite Chance. Klappt die Befruchtung dieses Mal, dauert die “Winterträchtigkeit” – ohne eine Entwicklungspause des Keimes – nur fünf Monate. Somit besteht für das Rehwild nicht nur eine erhöhte Chance zur Re(h)produktion, sondern der Nachwuchs erblickt auch zur gleichen optimalen Jahreszeit das Licht der Welt.

Laufspuren im Feld statt Bett im Kornfeld

Im freien Feld, wo Bock und Ricke noch ausreichend Platz für ihr Liebeswerben haben, können Naturliebhaber ein besonderes Phänomen der Rehwildbrunft finden: die so genannten “Hexenkreise”. So bezeichnet man die sichtbaren Laufspuren des Rehpärchens, die vor allem in Kornfeldern als 10-30 Meter umfassende Kreisbahn sehr gut sichtbar werden. Die Hexenkreise entstehen, weil der Bock die Ricke seines Herzens als Vorgeplänkel in einer wilden Jagd kilometerweit vor sich hertreibt, um sie empfängnisbereit zu stimmen.

Über weite Strecken und bis zu mehrere Tage verfolgt er die Angebetete so lange, bis diese ihm schließlich durch abruptes Stehenbleiben ihre Bereitschaft signalisiert. Dabei kann das neckische Treiben des Rehwildpärchens für Verkehrsteilnehmer schnell zum Verhängnis werden. Denn schlimmstenfalls führt das hormonberauschte Reh-Rennen auch tagsüber ohne die übliche Vorsicht mitten auf die Schnellstraße. Wo also ein Reh ist, folgt häufig das Zweite auf dem Fuße – leider auch auf vielbefahrene Straßen.

Wildunfall, Foto: Winsmann
  
Lebensbedrohlich für Autofahrer

Jedes Jahr werden durchschnittlich 3400 Menschen durch Wildunfälle verletzt, 30 Menschen sterben sogar an den Unfallfolgen. Die Gefahr, die von einer Kollision mit einem Wildtier ausgeht, wird leider immer unterschätzt: Ein 20 Kilogramm schweres Reh besitzt bei einer Kollision mit einem 50 Stundenkilometer schnellen PKW bereits eine Aufschlagskraft von einer halben Tonne. Bei einem 80 Kilogramm schweren Keiler (männliches Wildschwein) können es sogar bis zu zwei Tonnen sein.

Immer mehr Wildunfälle

Im vergangenen Jahr verendete durchschnittlich alle zweieinhalb Minuten ein Reh (rund 200.000) auf Deutschlands Straßen. Und auch die Zahlen von Rot- und Damwild sowie von Wildschweinen, die vom Kraftverkehr “erlegt” wurden, sind alle deutlich angestiegen. Dabei unberücksichtigt sind die nicht gemeldeten Kollisionen, die für den Menschen glimpflich verlaufen sowie Fälle, bei denen die Tiere angefahren wurden. Für das Wild, das verletzt flüchtet, bedeutet dies oft, an den Folgen qualvoll zu verenden. Insgesamt geht der DJV von bis zu einer halben Million heimischer Wildtiere aus, die jährlich ihr Leben im Straßenverkehr verlieren.

Richtiges Fahrverhalten

Grundsätzlich muss in waldreichen Gegenden immer mit angepasster Geschwindigkeit gefahren werden, auch außerhalb der Paarungszeiten. Insbesondere dort, wo Wildwarnschilder stehen, sollte man besonders achtsam fahren und bremsbereit sein. Hier gilt es unbedingt die Straßenränder im Blick zu halten. Wenn ein Reh oder Wildschwein unvermittelt an der Fahrbahn auftaucht, müssen Verkehrsteilnehmer sofort kräftig bremsen, hupen und unbedingt abblenden. Wobei stets der rückwärtige Verkehr im Auge zu behalten ist. Sollte eine Kollision dennoch unvermeidlich sein, ist ein Frontalaufprall meist ungefährlicher als ein Ausweichmanöver, durch das der Fahrer schnell die Kontrolle über sein Fahrzeug verlieren kann.

Verhalten nach dem Wildunfall

Nach einem Wildunfall müssen Autofahrer unverzüglich die Unfallstelle absichern und Verletzten helfen. Zudem sollte überfahrenes, verendetes Wild möglichst schnell von der Fahrbahn entfernt werden, um nicht weitere Unfälle zu verursachen. Wichtig ist es, im Anschluss die Unfallstelle genau zu markieren und die Polizei oder die Jäger vor Ort zu verständigen. Auf keinen Fall darf das verunfallte Wild mitgenommen werden: Zum einen, weil das Fleisch vom Fachmann auf mögliche Krankheiten untersucht, ordnungsgemäß aufbereitet und gekühlt werden muss, damit gesundheitsschädigende Keime ausgeschlossen werden können. Zum anderen würde man sich der Wilderei strafbar machen, da die Tiere qua Gesetz dem Revierinhaber gehören. Jäger müssen nicht nur für mögliche Schäden “ihrer Wildtiere” aufkommen, sie zahlen zudem Pacht an die Landbesitzer des Reviers.

Doch auch wenn ein Tier “nur” angefahren wurde und flüchten konnte, muss unverzüglich die Polizeizentrale benachrichtigt werden. Diese wird den zuständigen Revierpächter herbeirufen, der mit speziell ausgebildeten Jagdhunden nach dem verletzten Tier sucht. Meist kann dem Wild durch die Nachsuche viel Leid erspart werden.

Was Jäger tun, um Mensch und Wild zu schützen

Um angefahrenes und verletztes Wild nach einem Unfall von der Straße zu bergen oder zu suchen, ist ein Jäger für sein Revier 24 Stunden am Tag in Bereitschaft. Eine der wichtigsten Aufgaben der Jagdpächter besteht mittlerweile darin, die Straßen in seinem Revier zu sichern und Mensch und Wild vor möglichen Unfällen zu schützen. In besonders wildreichen Gebieten sieht man daher häufig CDs oder Reflektoren in den Bäumen glitzern. Der Grund: Das Wild soll durch die Lichtreflexe verunsichert und von der Fahrbahn abgehalten werden.

Eine ähnliche Wirkung haben unsichtbare Duftzäune. Die Jäger markieren hierfür den Verlauf besonders gefährdeter Straßenzüge mit einem schaumartigen Material, das es in sich hat: Die Geruchsstoffe der natürlichen Fressfeinde, wie Bär, Luchs oder Wolf halten das Wild wirkungsvoll von der Straße fern. Das Anlegen von speziellen Wildäckern, fernab der Straßen, ist eine weitere Präventivmaßnahme im Revier. Hier soll den Tieren ausreichend Nahrung angeboten werden, um sie von den grasbewachsenen Fahrbahngräben abzuhalten. Größtmöglichen Schutz bieten zudem Wildbrücken und Tunnel, durch die Hirsch und Co ungefährdet auch stark befahrene Straße queren können.

In zahlreichen Bundesländern, darunter auch Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, arbeiten Jäger und der ADAC eng zusammen, um Unfallschwerpunkte an Straßen zu ermitteln und zu entschärfen.

Die Broschüre “Besser langsam als Wild” von DJV, ADAC und Deutschem Verkehrssicherheitsrat kann im Internet unter www.djv-service.de bestellt werden. Sie enthält Verhaltenstipps für Autofahrer im Gefahrenfall und Hintergrundinfos zum Wildwechsel.

(Quelle: Deutscher Jagdschutzverband)